Innovation für den Fuhrpark – Elektromobilität im Handwerk
Elektrische Nutzfahrzeuge sind groß im Kommen. Die Auswahl an Modellen boomt. Auch Handwerksunternehmen verabschieden sich zunehmend von der Dieselflotte. Kein Wunder, denn die Stromer sind vor allem für die relativ kurzen Wege im Stadtgebiet geeignet. Zahlreiche Förderprogramme machen die E-Transporter auch für kleine und mittlere Handwerksbetriebe attraktiv. Wir sagen Ihnen, worauf es beim Umstieg ankommt und wo Sie Kosten sparen können. Lesen Sie außerdem das Interview mit Jan Obernauer, der seinen Fuhrpark komplett auf E-Fahrzeuge umgestellt hat.
Laut ADAC wurden im Jahr 2019 insgesamt 63.281 Elektroautos und 45.348 Fahrzeuge mit Plug-in-Hybrid-Motor verkauft. Tendenz steigend. Nach Pkws und Bussen wird der Markt seit geraumer Zeit auch mit Elektrotransportern überschwemmt. Elektrisch betriebene Fahrzeuge fahren entweder mit leistungsfähigen Batterien, die an speziellen Ladestationen aufgeladen werden, oder mit Wasserstoff, der in Strom umgewandelt wird und ebenfalls an Ladestationen zur Verfügung gestellt wird.
Bislang fahren die meisten Lieferfahrzeuge mit Diesel. Doch die Dieselfahrverbote in den Städten, mit denen die Politik dem Stickoxid-Ausstoß einen Riegel vorschieben will, weiten sich zunehmend aus. In vielen deutschen Städten, wie Hamburg, Stuttgart, München und anderen, wurden Fahrverbote bereits umgesetzt. Zwar gelten für nachgerüstete Dieselfahrzeuge von Handwerkern hier momentan noch Ausnahmeregelungen, über kurz oder lang sollten jedoch Elektroalternativen in Betracht gezogen werden, damit Firmen auch in Zukunft problemlos zu ihren Kunden kommen.
Neben den namhaften Automobilherstellern gibt es mittlerweile eine ganze Reihe an hoch spezialisierten Herstellern von E-Fahrzeugen. Gängig sind vor allem Mittelklasse-Transporter bis zu 2,8 Tonnen. Die meisten Hersteller schicken jedoch bereits batteriebetriebene 3,5-Tonner auf die Straße. Auch Baustellenfahrzeuge oder Lastenräder mit Elektroantrieb sind vielfach im Einsatz. Der Fokus unseres Beitrags liegt auf elektrisch angetriebenen Transportern.
Vorteile von Elektrotransportern
Wer emissionsfrei und leise zum Kunden oder zur Baustelle fährt, schont nicht nur die Umwelt, sondern leistet auch einen Beitrag zur Lebensqualität in den Städten, die durch gewerblich genutzte Fahrzeuge (auch Lieferdienste) zum Teil stark unter Verkehrslärm und Abgasen leiden. Im Hinblick auf die sich verschärfenden Dieselfahrverbote haben Elektrotransporter den Vorteil, problemlos in Städten unterwegs sein zu können.
Nicht zuletzt ist ein Elektrofuhrpark auch eine Frage des Images. Viele Handwerksunternehmen werben damit, nachhaltig zu denken und zu handeln. Dazu gehört letztlich auch der Fuhrpark. Wer elektrisch unterwegs ist, überzeugt in vielen Fällen auch die Kunden mit diesem ganzheitlichen ökologischen Ansatz. Auch wer innovativ sein will, sollte sich über E-Fahrzeuge Gedanken machen und die Dieselflotte auf den Prüfstand stellen. Elektrofahrzeuge punkten zudem in den meisten Fällen mit geringem Wartungsaufwand, da die Elektromotoren einfacher aufgebaut und dadurch weniger verschleißanfällig sind. Durch zahlreiche Förderungen und Steuererleichterungen können die relativ hohen Anschaffungskosten um einiges reduziert werden. Geringes Fahrzeuggewicht und niedriger Wartungsaufwand machen die Elektromobilität fürs Handwerk allemal interessant.
Technik: Stand der Dinge
Dass die Elektromobilität sich mehr und mehr auch im Bereich der Nutzfahrzeuge durchsetzt, liegt an der technischen Weiterentwicklung. Die Leistung der Lithium-Ionen-Batterien hat sich deutlich verbessert und damit auch die Reichweite der E-Fahrzeuge. Trotz allem ist im Hinblick auf schnellere Ladezeiten noch Luft nach oben. Reichweiten von bis zu 200 Kilometern sind jedoch bei vielen Fahrzeugmodellen bereits Standard. Auch die Motorleistung der Stromer bringt mittlerweile einiges an PS auf die Straße, Geschwindigkeiten von über 120 km/h sind längst die Norm. Höhere Geschwindigkeiten bedeuten allerdings in jedem Fall Einbußen in der Reichweite.
Kosten
Zwar liegen die Anschaffungskosten eines Transporters mit Elektroantrieb momentan noch über denen eines Dieselfahrzeugs oder Benziners, der Umstieg auf emissionsfreie Fahrzeuge wird jedoch mit Prämien, staatlichen und privaten Förderungen (siehe Punkt „Förderungen“) sowie Steuererleichterungen belohnt. Mit Zunahme der Modellpalette an Elektronutzfahrzeugen bis 3,5 Tonnen gewinnen zusätzlich Finanzierungs- und Leasingangebote an Bedeutung.
Der Aufwand für Energie, Betrieb und Wartung von Elektrotransportern fällt in der Regel deutlich geringer aus, da Gewerbekunden zum einen von günstigen Stromtarifen profitieren, zum anderen müssen E-Fahrzeuge seltener in die Werkstatt, da im Elektromotor weniger Verschleißteile, wie Kupplung, Auspuff, Filter etc., verbaut sind als im Verbrennungsmotor. Wichtig ist: Anschaffungspreis, Wartung, Reparatur, Wertverlust sowie Versicherung müssen bei der Kalkulation der Gesamtkosten immer als Gesamtpaket gesehen werden. Aus einem Kostenvergleich des ADAC geht hervor, dass Elektrofahrzeuge mittlerweile immer erschwinglicher werden und in ihrer Klasse mit den Verbrennern zum Teil sogar mehr als mithalten können.
Steuervorteile für Elektroautos: Corona-Investitionsprämie
Elektroautos werden steuerlich gefördert. Im Rahmen des Corona-Konjunkturprogramms legt der Staat bei der Steuerbefreiung sogar noch mal nach. Bisher waren Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb bis zu einem Erstzulassungsdatum bis 31.12.2020 zehn Jahre lang steuerbefreit. Jetzt gilt die Steuerbefreiung für reine Elektrofahrzeuge sogar bis zum Erstzulassungsdatum 31.12.2030. Wird innerhalb dieser zehn Jahre der Fahrzeughalter gewechselt, profitiert der neue Halter noch vom restlichen steuerbefreiten Zeitraum. Diese Regelung greift allerdings nicht für Hybridfahrzeuge, die mit einem Verbrennungsmotor angetrieben werden. Auch Versicherungsunternehmen haben sich auf E-Fahrzeuge eingestellt und bieten mittlerweile günstige Tarife und zusätzliche Öko-Boni für E-Autos an.
Weitere steuerliche Anreize wurden zum Beispiel durch Sonderabschreibungen für E-Nutzfahrzeuge und Lastenräder geschaffen.
Förderung
Mit bis zu 9.000 Euro für Elektroautos und bis zu 6.750 Euro für Plug-in-Hybride fördert der Staat die E-Mobilität. Auch die KfW-Bank, einige Bundesländer und Kommunen bzw. Landesbanken fördern E-Fahrzeuge sowie teilweise auch die Ladeinfrastruktur. Darüber hinaus gewähren örtliche Stromanbieter ebenfalls Zuschüsse.
Umweltbonus
Die Kaufprämie für Elektroautos, der Umweltbonus, an dem sich Bundesregierung und Hersteller zur Förderung klima- und umweltfreundlicher Fahrzeuge beteiligen, wird für reine Elektroautos, Plug-in-Hybride und Brennstoffzellenautos sowie entsprechende Gebrauchtfahrzeuge gewährt. Der staatliche Anteil der Prämie wurde im Zuge einer Innovationsprämie sogar verdoppelt. Die neue Förderung gilt bis Ende 2021 sowie rückwirkend für alle nach dem 3. Juni 2020 zugelassenen Fahrzeuge. http://www.bafa.de
Förderfähig ist der Erwerb (Kauf oder Leasing) eines neuen, erstmals zugelassenen elektrisch betriebenen Fahrzeuges gemäß § 2 des Elektromobilitätsgesetzes sowie der Erwerb eines Elektrofahrzeuges bei der zweiten Zulassung im Inland.
Auf der Website der BAFA findet sich eine Übersicht der förderfähigen Elektrofahrzeuge, die sowohl Modelle mit reinem Elektroantrieb, Plug-in-Hybride sowie E-Fahrzeuge mit Brennstoffzelle auflistet. Daneben wird mit einem 100-Euro-Bonus belohnt, wer sich für ein Elektrofahrzeug mit akustischem Warnsystem (AVAS) entscheidet.
Weitere Hinweise zu Förderprogrammen gibt die Förderberatung des Bundes.
Förderung Wallbox
Zwar wird die Anschaffung von elektrisch betriebenen Fahrzeugen bundesweit einheitlich gefördert, beim Einbau von Elektroleitungen und Steckdosen in die eigene Garage entscheiden jedoch die Bundesländer bzw. die Kommunen selbst. Die Förderung von Wallboxen für Unternehmen schwanken länderabhängig stark. Auch die KfW-Bank bietet ein Förderprogramm für Wallboxen an.
Örtliche Stromanbieter
Einige Energieversorger unterstützen ihre Kunden beim Kauf eines Elektroautos mit Prämien. In der Hoffnung, dass Besitzer von Elektrofahrzeugen in Zukunft lukrative Kunden werden. Tarifvergleiche lohnen sich vor der Anschaffung von E-Fahrzeugen in jedem Fall.
Reichweite
Anders als bei Privatpersonen oder Geschäftsreisenden, die pro Jahr viele Tausend Kilometer zurücklegen, spielt die Reichweite bei Handwerksunternehmen, die ihre Kunden überwiegend im Stadtgebiet und im näheren Umland haben, eine eher untergeordnete Rolle. Die tägliche Fahrleistung von Handwerkern in der Stadt ist meistens so gering, dass die Reichweite, die oft als K.-o.-Kriterium für die Anschaffung eines Stromers gilt, längst nicht ausgeschöpft wird. Der E-Antrieb reicht also in den meisten Fällen für einen Handwerksbetrieb völlig aus.
Ladeinfrastruktur
Privatpersonen können ihre E-Fahrzeuge über einen Typ-2-Stecker an einer normalen Steckdose laden. Für Handwerksunternehmen bieten sich eher die sogenannten Wallboxen an, die sich zum Beispiel an einer Wand in der Garage oder Werkstatt oder auf dem Firmenparkplatz anbringen lassen. Wallboxen sind an den Starkstrom (400 Volt) angeschlossen und liefern bis zu 22 Kilowattstunden.
Wichtig ist bei Handwerksunternehmen, die mehrere E-Fahrzeuge am Start haben, vor allem auch die Ladelogistik. Hier sollte darauf geachtet werden, dass die Autos, die lange am Strom hängen, morgens als Erstes vom Hof rollen. Einige Wallboxen haben einen integrierten Stromzähler, so lässt sich der Stromverbrauch eins zu eins nachvollziehen. Handwerksbetriebe sollten vor der Anschaffung einer Wallbox prüfen, ob sie mit dem jeweiligen Fahrzeug kompatibel ist. Unterschiede gibt es vor allem im Preis sowie bei Bedienkomfort und Ladeleistung.
Mobile Wallboxen lassen sich im Kofferraum mitführen, um auf Notfälle vorbereitet zu sein.
Wer sich größere Batterien anschafft, muss immer bedenken, dass diese auf Kosten der Reichweite gehen und gleichzeitig mehr Platz im Laderaum verbrauchen. Eine Faustregel für Betriebe, die überwiegend im Stadtgebiet unterwegs sind: Praktikabilität geht vor Reichweite, denn die wird ohnehin in der Stadt nicht gebraucht.
Laderaumvolumen
Wer bei der Auswahl eines Transporters darauf achtet, dass die Antriebsbatterien platzsparend am Unterboden verbaut sind, profitiert von mehr Ladefläche. Batterien, die unterhalb des Laderaums angebracht sind, wirken sich zudem günstig auf den Schwerpunkt des Fahrzeugs aus.
Elektrotransporter im Überblick
Nachfolgend finden Sie eine Auswahl an Modellen – vom Kleinsttransporter bis zu geräumigeren großen Modellen. Fast alle namhaften Automobilhersteller haben einen E-Transporter im Programm. Auch einige auf Elektrofahrzeuge spezialisierte Hersteller bringen zunehmend Stromer auf den Markt.
Eine Reichweite von 100 bis 150 Kilometern ist mittlerweile weitgehend Standard. Einige Modelle werben dank größerer Batteriekapazitäten bereits mit Reichweiten von bis zu 400 Kilometern. Unterschiede gibt es neben der Reichweite vor allem in Nutzlast, Ladevolumen, Ladestruktur, Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung.
Kleinsttransporter:
STREETSCOOTER WORK (http://www.streetscooter.com)
ALKE DIVACO ATX (http://www.alke.com)
ARI 458 KOFFER XL (http://www.ari-motors.com)
TROPOS MOTORS ABLE XT1 (http://www.tropos-motors.de)
EVUM ACAR (http://www.evum-motors.com)
GOUPIL G5 LITHIUM (http://www.goupil-deutschland.de)
Kompakttransporter:
STREETSCOOTER WORK L (http://www.streetscooter.com)
VW ABT E-CADDY MAXI (http://www.volkswagen-nutzfahrzeuge.de)
RENAULT KANGOO MAXI Z.E. (http://www.renault.de)
NISSAN E-NV200 (http://www.nissan.de)
Transporter:
VW ABT E-TRANSPORTER T6.1 (http://www.volkswagen-nutzfahrzeuge.de)
MERCEDES-BENZ EVITO + ESPRINTER (http://www.mercedes-benz.de)
EFA-S E35 V (http://www.efa-s.de)
FORD TRANSIT CUSTOM PHEV (http://www.ford.de)
STREETSCOOTER WORK XL (http://www.streetscooter.com)
PEUGEOT E-EXPERT (http://www.peugeot.de)
CITROËN E-JUMPY (http://www.business.citroen.de)
OPEL VIVARO-E (http://www.opel.de)
FIAT DUCATO ELECTRIC (http://www.fiat.de)
VOLTIA E-NV200 (http://www.voltia.com)
MAN ETGE (http://www.van.man.de)
QUANTRON Q-LI (http://www.quantron.net)
IVECO DAILY ELECTRIC (http://www.iveco.com)
RENAULT MASTER Z.E. / Z.E. HYDROGEN (http://www.renault.de)
EMOVUM E-DUCATO (http://www.emovum.com)
SAIC MAXUS EV80 VAN (http://www.saicmotor.com)
OPEL I SEE MOVANO (http://www.opel.de)
Fazit
Die Hersteller buhlen um die Gunst der Interessenten. Wer die verschiedenen Fahrzeuge miteinander vergleicht, merkt schnell, wie groß die Unterschiede hinsichtlich Reichweite, Verbrauch und Kosten sind. Wichtig ist es deshalb, den Bedarf genau zu definieren. Bei der Auswahl der Fahrzeuge spielen jedoch neben der Batterieleistung und den Stromkosten auch die Laderaumkapazität, Nutzlast, Batteriegröße, Wartungsintensität, Reparaturen und Fahrzeugversicherung eine Rolle. Eine große Batterie zum Beispiel, die rund 700 Kilo wiegt, geht ganz klar auf Kosten der Reichweite und des Ladevolumens. Wer nur im Stadtgebiet unterwegs ist, kommt mit den üblicherweise angebotenen Reichweiten gut über die Runden.
Wenn Sie wissen wollen, wie die Umstellung des Fuhrparks auf E-Mobilität in der Praxis funktioniert, lesen Sie hier die Erfolgsgeschichte von Jan Obernauer aus Ladelund, der sich in seinem Elektrobetrieb komplett von der Dieselflotte verabschiedet hat.
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