Praxisbeispiel: Bei Oliver Gentzen gibt es (fast) kein Papier mehr!
Bereits im Jahr 1997 startete Oliver Gentzen als Einzelunternehmer. Ein zweites Unternehmen im Bereich Werkskundendienst für Haustechnik kam 2010 hinzu. Anfang 2015 wurde dann aus der Einzelfirma Oliver Gentzen die Oliver Gentzen GmbH. Tätigkeitsschwerpunkte sind heute Sanitär, Heizung und Werkskundendienst im Bereich Kältetechnik, Klima und Wärmepumpe. Der Aktionsradius liegt rund 100 Kilometer um den Standort Kassel herum. Das Unternehmen ist klein: Mit zwei Personen im Büro und drei Technikern wird das Tagesgeschäft bewältigt.
Oliver Gentzen erhebt den Anspruch, mit Ausnahme der Lieferscheine für die Baustellen komplett papierlos zu arbeiten. Und auch diese lösen sich nach der Unterschrift des Abnehmers in Bits und Bytes auf: Der unterschriebene Lieferschein wird auf der Baustelle eingescannt und automatisch via Cloud in die Branchensoftware eingelesen.
Rechnungen werden zu ca. 90 Prozent sofort vor Ort ausgestellt. Ausnahmen kommen nur vor, wenn noch etwas geklärt werden muss. Das Unternehmen führt auch nur noch ein Kleinteilelager. Bestellt wird auftragsbezogen genau nach Bedarf und das Material wird digital erfasst.
Der (Papier-)Lieferschein vom Händler wird erst vom Material nach dessen Einbau getrennt. Das hat den Vorteil, dass der Techniker immer die richtigen Artikelnummern verwendet und der Chef auch nach Jahren noch genau nachvollziehen kann, woher das tatsächlich verbaute Material kam.
Digitalisierung braucht Zeit und Planung
Auf die Frage, wie lange die Komplettdigitalisierung seines Betriebs gedauert habe, sagt Oliver Gentzen: „Für so eine Umstellung benötigt man mindestens ein Jahr. Es müssen immer wieder Anpassungen vorgenommen werden. Es ist eigentlich eine Dauerbaustelle und man wird nie fertig. Das hängt aber auch mit den permanenten Änderungen von außen und von Weiterentwicklung der digitalen Möglichkeiten ab. Ich rate jedem Geschäftsführer dazu, sich persönlich darum zu kümmern und immer am Ball zu bleiben. Wer das halbherzig angeht, bei dem wird das nichts. Der kann sich das Geld sparen, weil er dann nur eine elektronische Schreibmaschine bekommt. Dafür ist das zu teuer!“
Pandemie treibt Digitalisierung
Der Computereinsatz war für Gentzen schon in den Anfängen 1997 selbstverständlich. Die erste Umstellung auf „echte“ Digitalisierung erfolgte dann im Januar 2010. Unter der Überschrift „Der Monteur lässt die Rechnung gleich beim Kunden“ erschien damals in der SHK-Fachzeitschrift SBZ ein Beitrag dazu.
Oliver Gentzen: „Da wurden erstmals die Techniker mit eingebunden. Damals waren die Mobilfunknetze so weit, dass das einigermaßen funktionierte. Von dieser Seite aus betrachtet hätte Corona früher passieren müssen. Das hätte uns in diesem Bereich geholfen, seitdem geht von den Netzbetreibern aus alles um einiges besser!“
Aus seiner Sicht ist oft auch die Berater- und Softwarewelt mit den Anforderungen des Handwerks nicht genug vertraut: „Es gibt zu wenig externe Impulse für unsere Digitalisierungsansprüche. Auch die Berater sind oft überfordert. Wir bringen regelmäßig die IT-Profis an ihre Grenzen. Eigentlich sind wir mittlerweile an der Weiterentwicklung der bei uns eingesetzten Software aktiv mitbeschäftigt!“
Zur Motivation hinter seiner Entscheidung, die Digitalisierung in seinem Betrieb anzustoßen und konsequent umzusetzen, meint Gentzen: „Mich hat immer die Art der Zusammenarbeit zwischen Büro und Technikern gestört. Das waren immer zwei unterschiedliche Welten. Eigentlich benötigt man im Büro immer einen Techniker, damit das dann mit den Abrechnungen auch wirklich klappt. Hinzu kam das mehrfache Anpacken und Erfassen der Vorgänge, die Doppelarbeit. Das wollte ich abstellen!“
Der Chef muss die Digitalisierung priorisieren
Wenn man solch ein Projekt angeht, sollte man aus Gentzens Sicht im Vorfeld dafür sehr viel Zeit einplanen und die Priorität ganz nach oben setzen, um Erfolg zu garantieren. „Am besten ist es, wenn der Chef sich für einige Zeit aus dem Tagesgeschäft verabschiedet und sich komplett um die Digitalisierung kümmert. Es stehen wichtige Entscheidungen an, die kein anderer treffen kann.“
Für seinen fast papierlosen Betrieb kommen bei Gentzen nur einige wenige ausgewählte digitale Werkzeuge zum Einsatz. Oliver Gentzen: „Wir arbeiten nur mit unserem Auftragsprogramm von der Firma Bergau. Das Programm heißt Online Business System (OBS). Dann verwenden unsere Techniker noch die Apps der Hersteller zur Beschaffung von Ersatzteilnummern. Ansonsten haben wir nur noch Notebooks, einen Server und Drucker.“
Vertrauen in IT-Dienstleister ist wichtig
Zu den Vorteilen, die sich für Gentzen im operativen Geschäft durch seine vernetzte digitale Arbeitsweise ergeben, zählt er die schnelle Abwicklung der Vorgänge und eine bessere Übersicht über alle Vorgänge. Dadurch entsteht aus seiner Sicht auch eine Entlastung aller im Betrieb Mitarbeitenden.
Auf die Frage, wie er seine Mitarbeiter bei der Auswahl digitaler Werkzeuge und bei der Umsetzung der Digitalisierung mit einbezogen habe, erzählt Gentzen: „Ich habe mir im Vorfeld die Abläufe im Betrieb genau angesehen und mir einen Überblick verschafft. Danach habe ich mir mehrere Softwarelösungen angesehen, um herauszufinden, welche Programme das leisten können, was wir benötigen, und welche Mannschaft dahintersteht. Ich wollte wissen, ob ich es dem Anbieter zutrauen kann, meine Belange zu bedienen. Unsere Mitarbeiter habe ich dann erst bei den konkreten Anpassungen der Programme mit einbezogen.“
Digitale Dokumentation vermindert Streitfälle
Den konkreten Nutzen „seiner“ Digitalisierung für die Kunden beschreibt Gentzen so: „Der Kunde ist im Vorfeld über alles informiert. Es gibt bei uns keine Überraschungen. Das spiegelt sich auch bei den Zahlungen der Kunden wider. In der Regel sind die Rechnungen nach 14 Tagen bezahlt. Wir buchen auch keine Rechnungen als Ausfälle aus. Des Weiteren ist die Anzahl der Streitfälle stark gesunken. Das geht in Richtung null. Und die ein oder zwei strittigen Fälle pro Jahr gewinnen wir dann aufgrund unserer lückenlosen digitalen Dokumentationen.“
Insgesamt sagt er zum Einfluss seiner Digitalisierungsmaßnahmen auf die Kundenzufriedenheit: „Wir sind überzeugt, dass wir neue Kunden teilweise wegen der Digitalisierung gewinnen.“
Für ihn ist die Digitalisierung ein fortlaufender Prozess: „Fertig werden wir nie sein. Es geht immer weiter. Die Optimierung der Betriebsabläufe ist eine Dauerbaustelle, weil sich laufend Gegebenheiten ändern, die permanent angepasst werden müssen. Wir planen aktuell die Videokonferenztechnik für die Techniker, um Sie vor Ort unterstützen zu können.“
Zu den Aspekten, unter denen er die in seinem Betrieb eingesetzten Technologien, Produkte oder Services auswählt, sagt Gentzen: „Wir haben die Produkte ausgewählt, die unseren Wünschen am besten entsprechen und von denen wir glauben, dass sie uns helfen, unsere Ziele zu erreichen.“
Datenschutz und Datensicherheit nicht vergessen!
Seine Handlungsempfehlung für Branchenkollegen: „Der Schritt in die Digitalisierung sollte gut überlegt und geplant sein. Was man auf jeden Fall braucht, sind Durchhaltevermögen und Optimismus. Man muss sich damit beschäftigen und auseinandersetzen. Und man sollte sich vor allen Dingen auch über Datenschutz und Datensicherung Gedanken machen. Wenn da was weg ist, kann das die Firma kosten. Das sollte man nicht vergessen! Geiz ist geil, hilft da aber nicht wirklich weiter. Der IT-Dienstleister, für den man sich da entscheidet, ist mindestens genauso wichtig wie der Steuerberater!“
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