Exoskelett im Handwerk – Produktivität statt Muskelkater
Sie kennen das: Im Neubau müssen Leitungen über Kopf geführt und befestigt werden. Wände und Decken sind zu schleifen. Schwere Materialien und Werkzeuge sollen verladen werden.
Wenn Arbeiten über Kopf oder das wiederholte Heben von Lasten zu Ihrem Tagesgeschäft gehören, dann sind Sie Schwerstarbeiter im Handwerk. Die Belastung für Ihren Körper hat langfristig Auswirkungen auf die Produktivität und die Gesundheit.
Eine Lösung für dieses Problem kann ein Exoskelett sein. Es handelt sich dabei sozusagen um einen „Überzieh-Roboter“, der Ihre Muskelkraft mechanisch verstärkt. Ziel ist dabei nicht unbedingt, dass Sie mehr heben können. Es geht eher darum, die zu leistende Arbeit zu erleichtern, Sie bei den eben beschriebenen Tätigkeiten zu entlasten.
Ein Exoskelett kann man sich wie ein Korsett vorstellen. Es stützt und verstärkt das menschliche Skelett und die Muskelkraft. Man unterscheidet von der Bauart her passive und aktive Exoskelette, die in Kombination auch als Hybridsystem denkbar sind. Passive Exoskelette funktionieren mit mechanischer Feder- oder Gasdruckfederkraft ohne externe Energiezufuhr. Die Speicherung von Energie erfolgt durch die Schwerkraft und teilweise Rückgewinnung beim Aufrichten entgegen der Schwerkraft. Aktive Exoskelette verfügen über einen elektrischen oder pneumatischen Antrieb mit manueller und/oder automatischer Regelungsfunktion. Die Stärke der Unterstützung ist dabei über die Energiezufuhr einstellbar.
Exoskelette sind IoT-fähig
Die digitale Vernetzung eines Exoskeletts ermöglicht unter anderem die automatische Auslösung von Funktionen anderer Geräte. So lässt sich beispielsweise ein Rolltor selbsttätig öffnen, wenn sich der Träger des vernetzten Exoskeletts nähert. Auch die Erfassung von Zeiten und Tätigkeiten ist so möglich. Diese Daten können für rein statistische Zwecke, zur Analyse der geleisteten Arbeit, für die nachweisbare Abrechnung von Tätigkeiten oder für intelligente Steuerungen benutzt werden.
In einem Videobericht von der Hannover Messe 2019 werden drei unterschiedliche Exoskelette für die verschiedensten Einsatzzwecke vorgestellt. Auch Anwendungen im Handwerk lassen sich hieraus ableiten.
Beispiel 1: Der Hersteller German Bionic Systems stellt das nach eigenen Angaben erste IoT-fähige Roboter-Exoskelett der Welt vor. Es wird erklärt, welche Daten dieses Exoskelett erfassen kann und wie Arbeit so zu optimieren ist.
Beispiel 2: Ottobock zeigt das kleinste Exoskelett der Welt. Es entlastet den Daumen bei bestimmten Tätigkeiten. Sie erfahren, für welche Arten von Arbeiten das Mini-Exoskelett eingesetzt werden kann, was es kostet und aus welchen Materialien es besteht.
Beispiel 3: Das ExoJacket vom Fraunhofer IPK dient der Vorbeugung von Gesundheitsschäden in der Arbeit. Es erfasst Bewegungen des Trägers über Sensoren, analysiert die gewonnenen Daten und warnt anschließend vor unergonomischen Bewegungen bei der Arbeit.
Exoskelette in der Industrie
Der Autohersteller BMW arbeitet im US-Werk Spartanburg mit Exoskelett-Westen, die die Monteure explizit bei der Über-Kopf-Arbeit unterstützen. Auch bei Volkswagen im Werk Bratislava werden Exoskelette genutzt, um die Mitarbeiter bei der Über-Kopf-Montage ergonomisch zu entlasten. Dabei werden die Exoskelette als äußere Stützstrukturen wie ein Rucksack angelegt.
Erleichterung für Über-Kopf-Arbeiten im Handwerk
Das Exoskelett Paexos des Medizintechnikunternehmens Ottobock ist ein passives Gerät. Es funktioniert somit ohne externe Energiezufuhr. Das erhöht die Flexibilität im Einsatz, beispielsweise auf Baustellen.
Dieses Exoskelett entlastet speziell den Schulterbereich bei Über-Kopf-Arbeiten, etwa am Bau. Dafür wird das Gewicht von Armen und Werkzeugen über Armschalen mit einer mechanischen Seilzugkonstruktion auf die Hüfte umgelenkt. Die so erreichte Entlastung beträgt nach Herstellerangaben bis zu einem Gewicht von rund 10 kg etwa 50 Prozent.
Das Paexos wiegt nur knapp 2 kg und wird wie ein Rucksack getragen. Es ist auf Träger mit Körpergrößen von ca. 160 bis 190 cm anpassbar, kann also von mehreren Personen benutzt werden. Sie können das Paexos für knapp 5.000 Euro kaufen oder für rund 115 € im Monat mieten.
Fazit
Exoskelette entlasten das Muskel-Skelett-System. Sie können so helfen, die Produktivität der Mitarbeiter zu erhalten. Sie haben das Potenzial, die Arbeit auch im Handwerk zu erleichtern. Das gilt besonders für Tätigkeiten, bei denen aus der gegebenen Situation heraus sonst keine technischen Hilfsmittel, z. B. zum Heben schwerer Lasten oder bei Arbeiten in Zwangshaltungen, zum Einsatz kommen können.
Weitere Hintergrundinformationen rund um die Nutzung von Exoskeletten finden Sie in diesem Online-Fragenkatalog des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA).
Foto: © Ottobock SE & Co. KGaA